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07/30/2021

Gemeinnützige Familie Rauch-Stiftung fördert Projekt „AssistMobil“

Treppensteigender Rollstuhl ermöglicht neue Mobilität

Der treppensteigende Rollstuhl ist mit seinen zwei „Beinen“ bisher einmalig. V. l. n. r.: Prof. Dr.-Ing. Petra Friedrich, Projektverantwortliche an der Hochschule Kempten, Prof. Dr. Wolfgang Hauke, Hochschulpräsident und Anton Klotz, Stiftungsratsvorsitzender der Gemeinnützigen Familie Rauch-Stiftung. Bildnachweis: Hochschule Kempten

Die Hochschule entwickelt einen treppensteigenden Rollstuhl, der dort Mobilität sichert, wo bisherige Rollstühle es nicht können. Die Fortsetzung des Projekts „AssistMobil“ wird nun dank einer Spendensumme von 25.000 Euro von der Familie Rauch-Stiftung ermöglicht. Die Spendenübergabe fand vergangenen Montag im Beisein von Hochschulpräsident Prof. Dr. Wolfgang Hauke, Anton Klotz, Stiftungsratsvorsitzender der Gemeinnützigen Familie Rauch-Stiftung, und Prof. Dr. Petra Friedrich, Projektverantwortliche an der Hochschule Kempten, statt.

Mobilität ist eine Voraussetzung für Unabhängigkeit: Nur wer mobil ist, kann am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, soziale Kontakte pflegen und seinen Alltag selbständig gestalten. Doch Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, stehen immer wieder vor unüberwindbaren Hindernissen. Barrierefreiheit ist zwar ein Wunsch der Gesellschaft, kann aber leider nicht überall gewährleistet werden: Altbauten ohne Aufzüge, Transfer vom Rollstuhl in den PKW, schlecht erreichbare Bahnhöfe und Einkaufszentren.

Im Projekt „AssistMobil“ wurde deswegen unter Leitung des Initiators Prof. Dr. Bernhard Wolf, ehemals Ordinarius des Heinz Nixdorf-Lehrstuhls für Medizinische Elektronik der Technischen Universität München und Leiter des Steinbeis-Transferzentrums für Medizinische Elektronik und Lab on Chip-Systeme, ein Mobilitätssystem entwickelt, das sich auf kurzen und mittleren Strecken autonom fortbewegen kann. Begonnen hatte das Projekt mit der Doktorarbeit von Dr. Michael Hinderer, der im Rahmen seiner Promotion einen Rollstuhl entwarf, der sogar Hindernisse wie Treppen überwinden kann, gleichermaßen aber auch über Schnittstellen verfügt, die eine einfache Integration in ein serienmäßiges Auto ermöglichen. Kernstück ist ein Sitz, der sowohl im PKW als Fahrersitz wie auch außerhalb des Autos auf einem fahrbaren Untersatz als Rollstuhlsitz Verwendung findet. Ergonomische Expertise kam von Professor Dr. Klaus Bengler, Inhaber des Lehrstuhls für Ergonomie der TU München.

Da keine zweite Person zur Hilfe benötigt wird, ergibt sich hier für Betroffene eine neue Form der Mobilität. „Mobilität ist die Voraussetzung für soziale Interaktion“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Petra Friedrich. Daher sei sie wichtig für Menschen und entscheidend für ihre Lebensqualität. Älteren Menschen bietet der Rollstuhl die Möglichkeit so lange wie möglich eigenständig zu bleiben, jüngeren die Chance unabhängig zu werden. „Wir freuen uns, dass wir Sie bei diesem Projekt unterstützen können.“, so Anton Klotz. Der Rollstuhl sei fertig hergestellt, nicht nur eine große Hilfe für Betroffene, sondern das Projekt entspräche genau dem Stiftungszweck der Familie Rauch-Stiftung, Menschen zu helfen, die auf technische Hilfe angewiesen sind.

Auf kurzen und mittleren Strecken befindet sich der Sitz auf einem Segway-ähnlichen Fahrwerk und bildet gemeinsam mit ihm einen extrem wendigen Rollstuhl. Dabei wird der Rollstuhl auf nur einer Achse, also einem Radpaar, balanciert. Nur in der Parkposition und vor dem Treppensteigen wird zur Stabilisierung ein zweites, kleineres Radpaar ausgefahren. Dank dieser einachsigen Bewegungsweise hat der Rollstuhl einen sehr kleinen Wendekreis, er kann sich beinahe auf der Stelle drehen.

Mit Hilfe von Sensoren erkennt der Rollstuhl Treppen und positioniert sich dann so vor ihnen, dass er diese überwinden kann. Dazu fahren zwei ausklappbare Beine aus dem Fahrwerk heraus, die sich ähnlich den menschlichen Beinen aus Ober- und Unterschenkel zusammensetzen. Diese Beine bewegen den Rollstuhl von Stufe zu Stufe, bis das Hindernis bewältigt wurde. Anschließend fahren die Beine automatisch wieder ein.

Der „treppensteigende Rollstuhl“ besteht bereits als Demonstrator im 1:2-Modell, mit dem die Machbarkeit des Treppensteigprinzips nachgewiesen werden konnte. Mit den Stiftungsmitteln möchten Prof. Petra Friedrich im nächsten Schritt einen Prototyp (1:1) aufbauen mit allen dazugehörigen Planungen, Konstruktionen und Entwicklungen. Der Prototyp wird im Anschluss ausgiebigen Anwender- und Usability-Tests mit entsprechenden Optimierungsarbeiten unterzogen. Diese Arbeiten werden wieder in Kooperation mit Prof. Dr. Bernhard Wolf durchgeführt. Studierende der Hochschule Kempten werden im Rahmen von studentischen Arbeiten (Praxissemester, Projekt-, Bachelor- und Masterarbeiten) ebenfalls am Prozess beteiligt.

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