Nachrichten - Details

  1. Hochschule Kempten
  2. Fakultät Elektrotechnik
  3. Aktuelles
  4. Aktuelle Informationen und Nachrichten

28.10.2024

Bitte Abstand halten!

Studierende der Elektrotechnik beweisen: Zwei Drittel der Autofahrer überholen Radfahrer zu eng

Schon lange hatte Tobias Heilig ein ungutes Gefühl, wenn er mit dem Fahrrad durch Kempten fährt: „Ich fühlte mich unsicher, manchmal sogar gefährdet durch Autos, die mich viel zu knapp überholen. Jetzt weiß ich: Es ist nicht nur ein Gefühl – viele Autofahrer halten tatsächlich nicht genug Abstand!“ Der verkehrspolitische Sprecher des ADFC Kempten-Oberallgäu ist ein erfahrener Radfahrer, der täglich zur Arbeit radelt. Doch die Ergebnisse eines Abstandsmess-Projekts "OpenBikeSensor" der Hochschule Kempten machen selbst ihn nachdenklich: „Dieses Überholverhalten verunsichert immer mehr Radfahrende. Es besteht dringender Handlungsbedarf für Kommunen und Verwaltungen!“

Die Professoren Thomas Zeh und Tim Poguntke von der Fakultät Elektrotechnik der Hochschule Kempten initiierten im Frühjahr ein Projekt, bei dem ihre Studierenden mit Unterstützung des ADFC mehrere Tausend Überholvorgänge zwischen Pkw und Radfahrern untersuchten. Mithilfe eines Sensors an Testrädern maßen die Studierenden die Überholabstände in Buchloe, Memmingen und auf mehreren vielbefahrenen Straßen in Kempten. „Wir haben Stellen gefunden, an denen im Durchschnitt 65 Prozent der Überholvorgänge zu knapp erfolgen – also mit weniger als einem Meter Abstand“, berichtet Professor Zeh. „Das ist besorgniserregend!“ Dabei schreibt die Straßenverkehrsordnung innerorts einen Mindestabstand von 1,50 Meter und außerorts sogar 2 Meter vor. "Verstöße können mit einem Bußgeld von 30 Euro geahndet werden", so Polizeioberrat Robert Bischlager von der Verkehrspolizeiinspektion Kempten. Auch wenn es bislang keine auffälligen Unfallzahlen bei Überholvorgängen gibt, wirft die Studie ein Schlaglicht auf die Gefahren. „Besonders in Kurven oder auf engen Straßen können riskante Situationen entstehen“, so Bischlager. „Der Einsatz von Polizeistreifen mit sensorgestützten Fahrrädern und Ermahnungen für Nah-Überholer wäre durchaus sinnvoll.“

Mehr Maßnahmen erforderlich
Der ADFC würde solche Maßnahmen begrüßen. Kreisvorsitzender Lutz Bäucker wünscht sich zudem eine Modernisierung älterer und schmaler Radfahrstreifen: „Heutiger Standard sind mindestens 1,25 Meter Breite. Ein Sicherheitsabstand zu parkenden Autos, gut sichtbare Radsymbole auf der Fahrbahn und häufigere Kontrollen gegen das Zuparken von Radstreifen sind weitere Maßnahmen, die der ADFC fordert.“ Bäucker sieht auch die Politik in der Pflicht: „Es fehlt noch immer am politischen Willen, zugunsten der schwächeren Verkehrsteilnehmer, also der Radfahrer, Platz von den stärkeren, den Autos, zurückzugewinnen. Politik und Gesellschaft müssen diesen Wandel wollen, dann wird es auch gelingen.“ Er plädiert für mehr Rücksicht im Straßenverkehr: „Wenn ein Autofahrer an einer Engstelle den Radler nicht sicher überholen kann, muss er eben warten. Nur so kommen alle sicher ans Ziel.“ Denn bei zu geringem Abstand kann die Sogwirkung des Fahrtwinds Radfahrer ins Schlingern bringen – von der Verunsicherung und Angst, die enge Überholmanöver auslösen, ganz zu schweigen.

Neue Sicht
Auch die beteiligten Studierenden machten interessante Erfahrungen: Bei eigenen Messfahrten fühlten sie sich oft unsicher oder sogar gefährdet. Bei der Auswertung der Daten stellten sie fest, dass markierte Rad- oder Schutzstreifen zwar das Sicherheitsgefühl der Radfahrenden erhöhen können, das Verhalten vieler Autofahrer jedoch kaum beeinflussen: „Viele fahren trotzdem viel zu dicht an uns vorbei, weil sie glauben, die Markierungslinie auf der Fahrbahn dürfe als Grenze dienen.“ Dabei ist ein Mindestabstand von 1,50 Meter stets verpflichtend. Die Studierenden raten: „Wo kein Radstreifen markiert ist, machen die Autos meist automatisch einen größeren Bogen – das ist sicherer für Radfahrer!“

Bildnachweise: Hochschule Kempten / Charlotte Nate

Zurück