Sinne im Test - so läuft eine Sensorikschulung am KLEVERTEC

Das KLEVERTEC – Kompetenzzentrum für angewandte Forschung in der Lebensmittel- und Verpackungstechnologie forscht zur Haltbarkeit und Sicherheit von Lebensmitteln. Für Unternehmen bietet das KLEVERTEC die sensorische Bewertung von Produkten durch ein ausgewähltes Panel an. Die Testpersonen des Panels müssen sich dafür durch eine bestandene Sensorikgrundlagenschulung qualifizieren. Nadja Krammel hat den Bachelorstudiengang „Lebensmitteltechnologie“ an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf abgeschlossen und danach an der Universität Innsbruck das Masterstudium „Mikrobiologie“ begonnen. Im Rahmen ihrer Masterarbeit ist sie nun im KLEVERTEC tätig und forscht zu einem beschleunigten Haltbarkeitstest. Im Interview erklärt sie, wie eine Sensorikgrundlagenschulung abläuft.
Warum ist eine Sensorikgrundlagenschulung wichtig?
Nadja Krammel: Mit bestandener Grundlagenschulung ist man bestens für die sensorische Analyse von Lebensmitteln geeignet. Erst dann kann man Teil unseres Sensorik-Panels werden, das Lebensmittel testet - entweder im Rahmen von Projektaufträgen der Industrie oder für interne Forschungsarbeiten im KLEVERTEC. Damit die Ergebnisse, die wir erheben, valide sind, muss unser Panel regelmäßige Prüfungen bestehen. Es ist von der Norm festgelegt, welche Prüfungen zwingend in eine Grundlagenschulung eingebaut werden müssen. Dazu zählt zum Beispiel ein Rangfolgen-Test, in der Proben nach einem Merkmal sortiert werden. Ein anderes Beispiel ist der Dreieckstest, bei dem aus drei Proben die abweichende gefunden werden soll. Wird eine oder mehrere Prüfungen nicht bestanden, müssen diese wiederholt werden.
Für welche Projekte wird euer Panel denn eingesetzt?
Nadja Krammel: Unser letztes externes Projekt sollte die Barriereeigenschaften zweier Verpackungen testen. Hierfür wurde Kaffee als Produkt verpackt, um den Verlust des Aromas oder mögliche off-flavours über die Lagerdauer zu identifizieren. Die Sensorikprüfung fand nach drei, sechs und neun Monaten Lagerung statt, wobei einerseits der Geruch des Kaffeepulvers, andererseits der Geruch und der Geschmack des aufgebrühten Kaffees in einem Dreieckstest untersucht wurde. Die Ergebnisse helfen dem Verpackungshersteller auf recyclingfähige, also nachhaltigere Monomaterialien umzustellen, ohne dass sich das Geschmackserlebnis des Konsumenten oder der Konsumentin verändert.
Auf einen geschmacksintensiven Kaffee wollen wohl die wenigsten verzichten. Welche Lebensmittel hat euer Panel in der letzten Zeit sonst noch geprüft?
Nadja Krammel: Abgesehen von dem Kaffee wurden eine Süßrahmbutter, eine Kräuterbutter und eine vegane Butter untersucht. Außerdem benötige ich die Unterstützung des Panels für die Untersuchungen meiner Masterarbeit.
Zu deiner Masterarbeit kommen wir später noch einmal. Lass uns erst darüber sprechen, wie die Sensorik getestet wird. Wenn ich hier einen Blick in die Testkabine werfe, sehe ich rote Reagenzgläser. Für welchen Sinn sind sie gedacht und was ist die konkrete Aufgabe?
Nadja Krammel: Sie dienen der Überprüfung und Kontrolle des Gesichts-/Sehsinns. Beim Konsumenten und der Konsumentin spielt die Optik als erster Eindruck eines Produktes eine ganz entscheidende Rolle, wenn sie ein Lebensmittel beurteilen. Für den Test müssen die Reagenzgläser von den Teilnehmenden der richtigen Reihenfolge nach sortiert werden (hell nach dunkel). Die Gläser enthalten Lösungen mit einer aufsteigenden Konzentration eines Farbstoffs. Es wären also auch Lösungen einer anderen Farbe möglich. Bei diesem Test ist es wichtig, dass nur zwei Reagenzgläser, die in der Reihenfolge nebeneinander liegen, verwechselt werden dürfen. Bei zwei Fehlern oder dem Vertauschen von nicht benachbarten Proben ist der Test nicht bestanden und muss nachgeholt werden.
Für den zweiten Test liegt ein Karton bereit. Was ist da drin und was soll die Testperson damit tun?
Nadja Krammel: Das ist die Prüfung des Tastsinns. Unsere Haptik gibt uns wichtige Eindrücke über Textur (zäh, knusprig, körnig etc.), Temperatur und der Beschaffenheit der Oberfläche (glatt, rau etc.) In diesem Karton befinden sich kleine, mit Gel gefüllte Döschen. Drückt man mit dem Finger hinein, stellt man die jeweilige Härte fest. Alle Gele sind unterschiedlich weich oder hart. Auch hier soll die Testperson eine Rangfolge erstellen. Bei diesem Test kommen die unterschiedlichsten Techniken zum Einsatz - Hauptsache am Ende stimmt das Ergebnis!
Als nächstes sehe ich einige Stifte, die wie dicke Textmarker aussehen. Für welchen Test sind sie gedacht?
Nadja Krammel: Sie gehören zur Geruchserkennung. Hier geht es um die Erkennung oder die möglichst genaue Beschreibung eines Geruchs. Dieser Sinn wird oft unterschätzt, aber er trägt wesentlich zu unserem Geschmackssinn bei – was uns spätestens bei einer Erkältung auffällt. Die Wahrnehmung ist ein Zusammenspiel von drei Sinneskanälen, was eine Meisterleistung der Verarbeitung ist! Aus diesem Grund werden unterschiedliche Gerüche von jedem Teilnehmer und Teilnehmerin mit individuellen Assoziationen und Erinnerungen verbunden. Bestimmte Aromastoffe können in ihrer reinen Form einen charakteristischen Aromaeindruck hervorrufen. In Lebensmitteln alledings stellen sie erst in Kombination mit einer Vielzahl anderer Aromen den komplexen, wahren Geruch dar.
Die Testpersonen müssen also an den Stiften riechen?
Nadja Krammel: Genau. Die Stifte sind gefüllt mit den reinen, flüchtigen Aromen. Sie repräsentieren bestimmte Lebensmittel, Gewürze und Pflanzen, wie zum Beispiel Kokos, Haselnuss und Butter. Für den Test wird ein Stift geöffnet und daran gerochen. Wichtig ist, die Eindrücke sofort zu notieren und anschließend den Geruchssinn mit Riechen am Handrücken oder der Ellenbeuge zu neutralisieren bevor der nächste Stift geöffnet wird. Dies verhindert die Überlagerung der verschiedenen Gerüche und die Ermüdung, da insgesamt neun Geruchsstifte identifiziert werden müssen. Hier hängt die Bewertung von der Genauigkeit des aufgeschriebenen Begriffs ab. Liegt man unter 80% der Gesamtpunktzahl müsste man diese Prüfung wiederholen.
Sehen, Tasten und Riechen – nun fehlt noch das Schmecken, der wohl wichtigste Sinn. Schließlich werden hier Lebensmittel geprüft. Wie testet ihr den Geschmackssinn?
Nadja Krammel: Weil der Geschmack so wichtig ist, gibt es gleich drei Tests, die unser Panel bestehen muss. Der erste Test bezieht sich auf die fünf Grundgeschmacksarten: süß, salzig, umami, sauer und bitter, wobei jede ihre eigene Funktion bei der Beurteilung des Lebensmittels hat. Auch die Art der Wahrnehmung und die Verarbeitung des Reizes unterschiedet sich zwischen den Geschmacksarten stark. Für den Test werden die entsprechenden Substanzen (Zucker, Salz, Mononatriumglutamat, Citronensäure und Coffein) ein einer geringen Konzentration mit Wasser verdünnt und den Teilnehmenden zur Zuordnung gereicht. Faszinierend ist hier die unterschiedliche Wahrnehmung: es kommt schon mal vor, dass jemand umami als neutral einstuft, während andere sich an dem Geschmack verschlucken und ihn als sehr unangenehm empfinden.
Und wie sieht der zweite Geschmackstest aus?
Nadja Krammel: Dieser ist eine sogenannte Schwellenprüfung. Hierfür mischt man eine beliebige der fünf Grundgeschmacksarten in aufsteigender Konzentration mit Wasser. So entstehen 10 Stufen, die das Panel von niedrigster zur höchsten Konzentration verkostet. Sie müssen dann angeben, wann sie die Geschmacksart erkannt und wo sie eine Erhöhung der Konzentration festgestellt haben. Es gibt nämlich zwei Stufen, bei denen die Konzentration nicht erhöht wird, sondern auf dem gleichen Niveau bleibt. Ein Rückkosten ist hier nicht erlaubt. Somit wird die Empfindlichkeit und die Reiz-, Erkennungs- und Sättigungschwelle der Teilnehmenden überprüft.
Nun sehe ich noch diese bunten Gläser. Testet man mit ihnen ebenfalls den Geschmackssinn?
Nadja Krammel: Ja, das ist der Test für die Geschmackserkennung. Hier geht es darum ohne Hilfestellung die hinzugefügten Aromen zu erkennen oder möglichst genau zu beschreiben. Dabei kann ich mir immer neue Kombinationen einfallen lassen, zum Beispiel aus Gewürzen, wie Zimt oder Salz, aus Früchten, wie Orange oder Zitrone, aus Kräutern, wie Basilikum oder sogar auch aus Süßigkeiten, wie beispielsweise Karamell. Diese gebe ich dann in den Joghurt. Der Joghurt ist in diesem Fall die "Matrix", die Gesamtheit aller Zutaten oder Stoffe des Tests. Als Matrix können auch Milch, Frischkäse oder Säfte verwendet werden. Da unsere Erwartungen an den Geschmack eines Lebensmittels stark von der Farbwahrnehmung und den damit verknüpften Erfahrungen abhängig sind, färbe ich die Proben mit knalligen Lebensmittel-Farben ein. Damit versuche ich natürlich nicht nur das Panel durcheinander zu bringen. Ich möchte damit auch Rückschlüsse verhindern, die zum Beispiel auf Grund der dunkleren Farbe des mit Kakao versehenen Joghurts gemacht werden. Bei diesem Test müssen alle Geschmäcker zumindest richtig eingeordnet bzw. beschrieben werden, sonst wird die Prüfung nicht bestanden. Nach dieser Prüfung ist die Grundlagenschulung für alle geschafft und ich kann mit der Auswertung starten!
Da muss man also einige Prüfungen bestehen bevor man Teil eures Sensorik-Panels werden kann. Du meintest zu Beginn, dass dich das Panel auch bei deiner Masterarbeit unterstützt. An was forschst du?
Nadja Krammel: An einem Fertiggericht - genauer gesagt Schaschlik mit Reis. Möchte man das Mindesthaltbarkeitsdatum für Lebensmittel bestimmen, werden oft herkömmliche Lagertests durchgeführt. Für Fertiggerichte können sie je nach Haltbarkeit des Lebensmittels ein bis drei Jahre dauern. Bevor ein neues Produkt auf den Markt kommt, muss das Mindesthaltbarkeitsdatum festgelegt werden. Haltbarkeitstests, die lange dauern, verzögern also die Markteinführung von neuen Produkten. Damit Lebensmittelhersteller für Produkte mit langer Haltbarkeit, wie dem Fertiggericht Schaschlik mit Reis, das Mindesthaltbarkeitsdatum schneller festlegen können, wurden sogenannte ASLTs entwickelt. Beim "Accelerated shelf life testing" wird das Produkt unter veränderten Bedingungen getestet, zum Beispiel bei einer erhöhten Temperatur. Das beschleunigt die Verderbsvorgänge. Die Kinetiken dieser Reaktionen zeigen, wie schnell die Veränderungen unter den veränderten Bedingungen passieren und ermöglicht ein Zurückrechnen auf die Standard-Lagerungsbedingungen. Mit beschleunigten Haltbarkeitstests können Unternehmen also ihre Kosten und den Aufwand für die Überprüfung der Haltbarkeit verringern und damit dem steigenden Druck des Marktes standhalten. Das Panel unterstützt meine Untersuchungen, indem es an vier Zeitpunkten eine beschreibende Prüfung durchführt. Die gibt zusätzlich zu den Laboranalysen eine wichtige Aussage über die wahrnehmbaren Veränderungen des Gerichts, da das Mindesthaltbarkeitsdatum letztendlich von der sensorischen Beurteilung und Qualität abhängt.
Bildnachweis 1: Nadja Krammel, Mitarbeiterin im KLEVERTEC
Bildnachweis 2: Rote Reagenzgläser für die Prüfung des Sehsinns
Bildnachweis 3: Ein mit Gel befülltes Döschen für die Prüfung des Tastsinns
Bildnachweis 4: Die Prüfung des Geruchssinns
Bildnachweis 5: Die Prüfung des Geschmackssinns mithilfe der fünf Grundgeschmacksarten
Bildnachweis 6: Die Prüfung des Geschmackssinns mithilfe von eingefärbtem Joghurt
Fotos: HS Kempten / Charlotte Nate




